2010/10/23

heimlich verliebt: no more heroes


Die Wii ist eigentlich bekannt für kunterbunt bis fröhlich-quietschende Spiele. Da wundert es schon, dass ausgerechnet ein Spiel, wie No More Heroes exklusiv für die Wii erschienen ist. Wie, ihr wisst nicht, was No More Heroes ist? Nun denn, ich fange mit der Story an: Wenn man nichts auf die Reihe bekommt, im dreckigsten Hotel der Stadt wohnt und ein Beam Katana auf einer Auktion ersteigert hat, kommt man irgendwann auf abstruse Gedanken. In diesem Fall ergeht es so Travis Touchdown. Versoffen in einer Bar lernt er das zwielichtige Latinamädchen Sylvia kennen, die er um alles in der Welt ins Bett zu kriegen versucht. Diese willigt aber nur unter der Bedingung ein, wenn Travis der weltbeste Killer wird. Fortan macht er sich mit zu viel Selbstbewusstsein auf den Weg und schnetzelt alles nieder was ihm in die Quere kommt. Travis ahnt allerdings nicht, dass besagte Sylvia ein falsches Spiel spielt. Auf einmal verliert Menschlichkeit ihre Bedeutung, Würde seinen Zweck...

No More Heroes ist das zum Videospiel gewordene Äquivalent zu Kill Bill von Quentin Tarantino. Sowohl stilistisch, als auch erzählerisch lassen sich diverse Paralellen nicht abstreiten. Und genau wie der Film reiht sich das Spiel ein, zwischen Wahnsinn und Geniestreich. Die eingangs beschriebene Story lässt bereits erahnen, inwiefern das zutrifft. Mit sehr viel Gewalt, schwarzen Humor und B-Movie Atmosphäre ist das Meisterwerk von Entwicklerlegende Suda 51 nur was für geschmackvolle Kenner. Zumindest Präsentation und Technik vergrault die überwiegende Mehrheit der sogenannten Grafikhuren. Zugegeben: No More Heroes wirkt oft detailarm, verschwommen und kaum ein Frame wird nicht von Kantenflimmern geplagt. Aber sei's drum. Die Cel-Shading-Optik ist dafür ein Genuss für sich. Doch will ich mich nicht unbedingt mit den technischen Aspekten befassen, denn das Spiel liegt darauf ohnehin wenig Wert. In No More Heroes geht es eher um das Spielen an sich. Es will gemeistert werden, wie damals die Arcade-Automaten.

Gestatten? Travis "Motherfucker" Touchdown
Die hübsche Sylvia Christel verarscht Travis nach Strich und Faden.
Nach einem grandiosen Intro, das die oben beschriebene Story in filmreifer Form wiedergibt, rast Travis auf seinem Spelltiger (ein futuristisches Motorrad) auf eine Villa zu und tötet gekonnt im Sprung ein paar Wachleute, indem er sie mit seinem Beam Katana vertikal zerteilt. "Fuckhead" schreit er! Oh ja, Travis liebt das Töten und Schnetzeln, was er im Eingangsbereich der Behausung unter Beweis stellt. Dies ist fortan auch das Tutorial, schliesslich will Kontern und Schlagen mit der Wii-Fernbedienung gelernt sein. Je nachdem ob der Spieler die Wii-FB hoch oder tief hält, wechselt Travis gleichermaßen seine Schlagausrichtung. Mit der A-Taste wird ausgeteilt, mit der B-Taste kann Travis seinen Schuhabdruck auf die Gesichter seiner Gegner stempeln. Mit Blocken ist das Kampfsystem komplett. Bei einem Waffenzusammenprall und im finalen Schlag werden Pfeile auf den Bildschirm angezeigt, die mit der Wii-FB und manchmal auch den Nunchuck in die jeweiligen Richtungen bewegt werden müssen. Simpel, macht aber Laune! Bei jedem Schlag leert sich ein wenig von der Akkuleistung des  Beam Katanas. Ist sie vollständig leer, richtet Travis keinen Schaden mehr an. Dann muss durch schnelles Schütteln der Wii-FB wieder aufgeladen werden, was urkomisch aussieht. Durch bestimmte Kombos können Spezialaktionen ausgelöst werden, wie z.B. Bullet-Time, was die Kämpfe in kleinen Rahmen abwechslungsreicher gestaltet. Dabei spritzt in der Originalversion jede Menge Blut aus den frisch verstümmelten Gegenspielern, das in der europäischen Version durch schwarzen Rauch ersetzt wurde aber nicht minder stilisch aussieht! 

Travis' Beam Katana lässt ordentlich die Funken sprühen
Einmal kurz die Wii-FB nach links gezückt und der Gegner wird halbiert!
Travis bewegt sich von Raum zu Raum und kann erst weiter, wenn alle Gegner besiegt worden sind. Rätsel gibt es keine und auch sonst sind die Wege sehr linear gehalten. Ist man dann durch und beim Bossgegner angekommen entfaltet sich das volle Potenzial des Spiels. Jeder Boss ist ein Killer in der oberen Weltrangliste und wird mit einer minutenlangen Cut-Scene eingeläutet, die zum grössten Teil die Motivation des Spiels ausmachen. Der Spieler erfährt Beweggründe, Charakterentwicklungen und mehr von der Story, die gegen Ende ad absurdum geführt wird. Die Kämpfe gegen die Killer sind anspruchsvoller und nicht selten beisst Travis ins Gras. Spätestens hier trennt sich die Spreu vom Weizen, denn nur Durchhaltevermögen und blitzschnelle Reaktion führen zum Erfolg. Nach dem Sieg steigt Travis in der Weltrangliste der Killer auf Platz Zehn. Somit sind nur noch neun übrig, wobei jeder Killer seine eigene Residenz und Gefolgschaft besitzt. Da wäre beispielsweise Destroyman, der sich als gemeingefährlicher Superheld entpuppt oder Holy Summers, die auf militärische Mittel zurückgreift (und besonders dramatisch stirbt...). Hin und wieder wird man mit der Moral konfrontiert, die man befolgt, denn Travis ist ganz und gar kein schlechter Mensch. Auch die anderen Killer sind einfühlsame Geschöpfe, die bloss den Kodex befolgen. Geleitet wird die Liste von der UAA (=United Assassins Association), bei der Travis Liebe Sylvia mitwirkt. Da er nun in die Liste aufgenommen wurde, hat er keine andere Wahl als weiterzumachen, da aufstrebende Auftragsmörder ihn ansonsten töten. Ein herrlich schräger Storykniff, nicht wahr? 

Holy Summers: Ein Feind zum verlieben.
Destroyman mimt den guten Helden ist aber ein gerissenes Arschloch.
Allerdings erhält Travis den Zielort seines nächsten Gegners erst, wenn er einen stets steigenden Obulus an die UAA überwiesen hat. Um das Geld zusammenzukratzen nimmt er diverse Hilfstätigkeiten an, die er im spielinternen Arbeitsamt findet. Die Jobs reichen von Kokosnüssen sammeln zum Tankwart bis hin zum Rasen mähen. Allesamt ziemlich eintönige Aufgaben, die aber eine gewisse Authentizität ins Spiel bringt, die Travis und die Spielwelt etwas ernster gestaltet. Harte Arbeit eben! Neben den normalen Jobs gibt es optionale Auftragsmorde, die etwas temporeicher daherkommen. Zwischen den Jobs kann sich Travis in der Stadt Santa Destroy frei herumbewegen. Viel zu entdecken gibt es allerdings nicht. Dafür andere Möglichkeiten, um das schwer verdiente Geld auszugeben, z.B. im Fitnesscenter, im Klamottenladen oder in Naomis Werkstatt, die Travis mit Upgrades versorgt. Kehrt der Jüngling in sein Zwei-Zimmer Appartement zurück, so kann er mit seiner Katze spielen, Fernsehen, auf die Toilette gehen, um zu speichern (!!!) oder den Anrufbeantworter durchhören. Allein die hinterlassenen Nachrichten sind kleine Highlights, wenn die Videothek um die Ecke, um die Rückgabe des Videos "Coffee with Milf" bittet. Aber auch Sylvia ruft an und erteilt das "GO!" für den nächsten grossen Kampf! Diese Prozedur verläuft jedesmal gleich bis zum grossen Finale!

Travis Zimmer füllt sich im Laufe des Spiels mit allerlei Zeugs
Santa Destroy ist zwar gross aber wenig belebt. 
In technischer Hinsicht ist No More Heroes besseres Mittelmaß. Umgebungen sind ziemlich karg dekoriert und die Gegner in der jeweiligen Residenz sehen alle gleich aus. Fährt Travis auf dem Spelltiger durch die Stadt poppen gelegentlich Texturen auf oder erst gar nicht. Im Gegensatz dazu stehen die oft erwähnten Killer, die bis ins kleinste Detail ausgestaltet sind und die hohe Abwechslung an Schauplätzen. Im Grunde ist die Darstellung sehr stimmig und der Grafikstil überzeugt. Auch positiv erwähnenswert ist die hervorragend gelungene Synchronisation der Darsteller, insbesondere von Sylvia, die einen süssen spanischen Dialekt innehat. Allen voran mit den herrlich-schrägen Dialogen bildet die Vertonung eine perfekte Symbiose! Im Kontrast dazu steht der Soundtrack, der quasi nicht vorhanden ist. Bis auf das Hauptthema sind keine Ohrwürmer zu erwarten.

No More Heroes ist nicht schwarz und nicht weiß. Man kann dieses Spiel beim besten Willen nicht in eine Schublade stecken. Dafür ist die Thematik viel zu schräg und die Präsentation zu anders, um mit anderen Genrevertetern zu vergleichen.  Auch das Ende ist irgendwie nicht ganz einzuordnen, in offen oder geschlossen. Besser gesagt, gibt es ein  "Ende" und ein "richtiges Ende". Wer eine Wii sein eigen nennt und mit Old-Schoolmässigen Spielen kein Problem hat, kann bedenkenlos zugreifen. Inzwischen ist das Spiel für wenig Geld zu haben und ein qualitativ hochwertigerer Nachfolger ist auch schon erschienen. Danke fürs Lesen!

 

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