2010/09/18

next gen: angezeigt

Um mich herum ist nichts anderes als tote Stahlkonstruktion. Ich bewege mich von einem Korridor zur nächsten. Lieber würde ich rennen, doch ich trau mich nicht. Überall liegen Körperteile und zerfetzte Leichen auf dem Boden. In der Nähe könnten also Monster sein. Vielleicht hinter der nächsten Tür? Während ich sie öffne, halte ich mit der anderen Hand meine Waffe schussbereit auf die Ferne. Eine mir entgegenstrahlende Anzeige signalisiert, dass meine Waffe vollgeladen ist. Der erste Schritt. Ich bin im nächsten Raum. Mein Herz pocht, denn ich höre schon die Monster kommen. Ich drehe mich nach links. Nichts. Rechts. Nichts. Auf einmal werde ich getroffen. Die Gegner haben es sich oben an den Wänden gemütlich gemacht. Mit gezielten Schüssen werfe ich sie auf den Boden und zerquetsche diese mit meinem Fuss, der wie in Stahl gegossen wirkt. Stille kehrt wieder ein. Der Balkenanzeige auf dem Rücken meines Anzuges, entnehme ich meine Gesundheit. Sie ist auf halber Höhe gefüllt. Per Tastendruck heile ich mich mit einem Medi-Kit. Dann kann es weitergehen...

Dead Space: Lebensanzeige, Stasis und Munition sind am Charakter verknüpft
Dead Space: Inventar, Karte und Infos werden in Echtzeit als Hologramm präsentiert

Dieses Szenario kommt in Dead Space vor. Ich habe die Stelle genauso beschrieben, wie ich es gesehen und gespielt habe. Kein Blick auf ein Menü, kein Navigationspfeil, keine Munitions- oder Lebensanzeige in einer Ecke im Bildschirm. Das heisst wiederum nicht, dass sie im Spiel fehlen. Sie sind nur anders eingebaut und zwar so, dass sie im Setting des Spiels passt. Auf dem Anzug des Spielcharakters beispielsweise. Allerdings ohne irgendwelche Zahlen, sondern rein grafisch implementiert. Bereits in den ersten Resident Evil Episoden wurde auf ein HUD (Head Up Display = Anzeigesystem) verzichtet. Anhand der gebeugten Haltung der Spielfigur konnte man dessen Gesundheit rauslesen. Gerade in Horrorspielen wird zu Gunsten der Atmosphäre auf Zahlen, Balken, Pfeile, Karten und Munition am Bildschirmrand verzichtet. Hier sei noch die Alone in the Dark Serie erwähnt, die bereits 1992 ohne Anzeigen auskam. Sinn dahinter ist der Effekt, den Spieler ins Geschehen eintauchen zu lassen. Da uns in der Realität auch kein HUD begleitet, kommt uns das Spielgefühl eben noch echter vor! Wir gehen ganz anders in einem Spiel auf, wenn uns die Spielfigur Ausschluss über seinen Status gibt. Das Pendant dazu wäre die Mimik einer deiner Mitmenschen, das uns verrät in welcher Stimmung sich dieser gerade befindet. 

Alone in the Dark auf dem PC (1992)
Resident Evil Director's Cut auf der PlayStation (1997)

Ein Kontrast zu schlechtem HUD, der mir immer wieder ins Gedächtnis kommt, ist Zelda: Majoras Mask, dessen viele bunte Anzeigen an allen Ecken des Bildes, zusammengenommen den halben Ausschnitt einnehmen. Ich muss nicht immer wissen, wie viele Rubine ich bei mir habe oder wie spät es gerade ist. Es hätte genügt, diese Elemente in bestimmten Schlüsselsituationen oder per Knopfdruck anzuzeigen. Die Allgegenwärtigkeit und die ständigen Blicke darauf, ist vergleichbar mit der Werbung eines Films im Free-TV. Es stört nur und reisst einem aus dem Flow wieder raus! Lobenswert dagegen sind Spiele, die einem die Möglichkeit geben, einige bzw. alle Anzeigen abzustellen. Beispiele hierfür sind viele Shooter und Rennspiele.


Zelda - Majoras Mask: Das HUD ist heute nicht mehr schön anzusehen
Mit der immer besser werdenden Technik und noch aufwendigerem Spieldesign, sollte das HUD bald der Vergangenheit angehören. Spiele, wie Portal, Mirrors Edge, Heavy Rain, Metro 2033, Limbo, Shadow of the Collossus und viele weitere, zeigen bereits die Genrevielfalt, in denen Anzeigen überflüssig sind. Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen ein HUD unverzichtbar bleibt. In Strategie-, Rollen- und Sportspielen will ich die Zahlen nicht missen. Auch Zelda sollte in Zukunft traditionsgemäß seine Herzen behalten. Allerdings könnte man die Ausrüstung, wie in Resident Evil 5 am Körper der Spielfigur heften. Damals sind solche grafischen Spielereien nicht möglich gewesen, können heute aber dank höherer Auflösung und Widescreenformat sehr gut dargestellt werden.

Heavy Rain: Bei diesem Spiel(film) wäre ein HUD fehl am Platze
Limbo: Viele Jump'n'Runs können auf Anzeigen verzichten.
Metro 2033: Lediglich in Gefechten und beim aufsammeln wird ein HUD angezeigt

Schärfere Texturen, volume Gräser, Faltenbildung oder realistische Gesichtszüge sind für mich nicht länger Massstab für die Ausnutzung von Grafikpower, sondern wie diese Rechenkraft dazu genutzt wird, ein neuartiges und besseres Spielerlebnis zu kreieren. Und dazu zählt die Neuinterpretation des HUD. Allein dieses Element kann sehr viel zur Identifikation der Spielfigur beitragen, statt die Marionette von Zahlen und Balken zu sein. Ich danke fürs lesen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke schonmal für dein Kommentar!