2010/09/08

heimlich verliebt: mirrors edge

Wer als Kind zum ersten Mal Kontakt mit Videospielen hatte, der hat mit grosser Warscheinlichkeit ein Jump'n'Run gespielt. Also ein Spiel, in dem das Gameplay vorrangig aus "laufen" und "hüpfen" besteht. Pardon, laufen und pixelgenaues hüpfen! Denn wer ist schon nicht hundertmal in den selben Abgrund gefallen, weil Aktion und Reaktion nicht synchron war? Und wer hat es letzten Endes nicht doch beim hundertundersten Versuch geschafft? Das daraus resultierende Erfolgserlebnis rechtfertigt die Mühe und ist zugleich Motivation für den nächsten heiklen Sprung. Aber irgendwann langweilt die sich ständig wiederholende Prozedur. Der Spieler will aus der Fassade raus und neue Dinge ausprobieren. Neue Herausforderungen werden in anderen Genres gesucht und gefunden. Jump'n'Runs werden links liegen gelassen und geniessen ein Nischen-Dasein. Inzwischen ausschliesslich im Kiddie-Sektor...

2008 verpasste Electronic Arts (EA) dem angestaubten Genre einen Neuanstrich. Mirrors Edge war die längst überfällige Generalüberholung für das Jump'n'Run System. Gehüpft wird nicht mehr aus der Seitenansicht, sondern in der Egoperspektive. Mit Unschärfeffekten und Wackelkamera wird ein selten erreichtes Mittendringefühl erzeugt, die den Adrenalinpegel bei jedem Sprung über Häuserschluchten ins unermessliche steigen lässt. Etwas vergleichbares habe ich vorher nie gesehen. Und wo wir bei "sehen" sind. Der Grafikstil in Mirrors Edge ist einzigartig. Im Gegensatz zu Genrevertretern, wieEgoshooter ist der Handlungschauplatz stets hell erleuchtet. Ein frisches Weiß durchzieht die Stadt. vollgesättigte Farben stzen Akzente, dienen aber auch zur Orientierung im Spiel. Im hohen Tempo rückt der Blick des Spielers in die Ferne, die mit tiefer Weitsicht aufwartet. Allein optisch ist Mirrors Edge ein Genuss!

Arme und Beine ragen ins Bild hinein um ein realistischeres Spielgefühl zu implizieren.
In solchen Momenten ist ein Gefühl für die Dreidimensionalität des Raumes vonnöten.
Handlungsschauplatz ist eine Grosstadt, die von der Regierung unterjocht wird. Sperrgebiete, Kameras und Wachleute verzieren Faiths Heimat. Faith gehört zu den Rebellen, die für Freiheit kämpfen. Sie agieren im Geheimen und überbringen Botschaften. Runner werden sie genannt und von der Polizei gejagt. Sie nutzen Schlupflöcher, Kanäle, Luftschächte, Baustellen, Fassaden und sind meist auf den Dächern der Bauten unterwegs. Für Faith heisst das ein Leben in Hatz und Isolation. Dieses Gefühl, wird durch das viele Weiss unterstützt. Optik und Perspektive bilden eine Symbiose, die durch die intuitive Steuerung ergänzt wird. Gespielt habe ich mit dem XBOX 360 Pad fast nur über die Schultertasten. Da an beiden Seiten zugleich Zeige- und Mittelfinger eine Aktion auslösen schwingt, springt, rutscht, dreht, schlägt sich Protagonistin Faith geradezu perfekt. Die Buttons sind lediglich für einige (kontextbasierte) Spezialmanöver, wie Zeitlupe oder Entwaffnung ausgelegt. Denn stellenweise kommt Faith ein Spezialkommando entgegen, die es entweder auszuknocken und/oder abzuhängen gilt. Dabei springt sie vorzugsweise auf vorbeifahrende Züge um zu entkommen. Dynamik wird hier grossgeschrieben!

Die Stadt ist in verschiedne Bereiche gegliedert und weißt einige hübsche Bauwerke auf.
Einzelne Mitglieder des Spezialkommandos können auch mit Nahkampftechnicken ausgeschaltet werden. Faith geht dabei, wie man sieht, nicht geradezu zimperlich zur Sache!

Abverlangt wird aber auch Durchhaltevermögen und das nicht zu knapp. Wie eingangs erwähnt bildet Mirrors Edge als Verwandter des Jump'n'Run keine Ausnhame mit Try and Error Passagen. Oft genug wollte ich den Controller gen Bildschirm werfen, weil ein Sprung nicht perfekt genug getimt war. Doch gerade diese Stellen machen meiner Meinung nach den Reiz dieses Spiels aus. Man möchte immer besser werden und die Bestzeit schlagen. Nicht zuletzt, weil mehrere Wege zum Ziel führen. Mit diesem Spiel hat EA eine Innovationsbombe geworfen, die leider wenig Anklang in der Masse fand. Einigen war das Spiel zu schwer, zu eintönig oder durch die Perspektive bedingt schwindelerregend. Mir hat das nichts ausgemacht. Ich habe etwas Neuem eine Chance gegeben und wurde nicht enttäuscht. Mir gefällt die bunte Optik, das Gameplay und Faith als weiblichen Charakter, die nicht als Sexobjekt missbraucht wird. Beim Sprung sieht man ihre Arme und Beine in den Bildschirm hineinragen. Die Identifikation mit dem Charakter funktioniert hier ganz anders als sonst. Selten wirkt ein Spiel wie aus einem Guss, dass man sonst nur von Nintendoprodukten behaupten kann. Alle Interessierten können das Spiel mittlerweile für unter zehn Euro auf allen Plattformen kaufen. Zum Abschluss noch ein audiovisueller Eindruck vom Spiel. Danke fürs Lesen!

 


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